Der Geist von Combourg


Ein gerissener Mörder, ein hoch kriminelles Dorf – und mittendrin Kommissar Adamsberg, der es in Fred Vargas’ Roman Jenseits des Grabes mit einer ganzen Mordserie zu tun bekommt. Er ermittelt in der Bretagne zwischen Schwerverbrechern, Dichter-Wiedergängern und Savoir-vivre.

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François-René de Chateaubriand ist ein Name, den man hierzulande kaum kennt. Ganz anders in Frankreich, wo der 1768 geborene Dichter und Diplomat den Status eines nationalen Kulturguts genießt, vergleichbar am ehesten mit Goethe. Aufgewachsen auf Schloss Combourg in der Bretagne, gilt Chateaubriand als Vater der französischen Romantik, gerühmt für seinen Stil und sein vielgestaltiges Werk.

In Fred Vargas’ Krimi Jenseits des Grabes verschlägt es Kommissar Jean-Baptiste Adamsberg in genau jene Region, in der der Dichter einst aufwuchs. Grund ist ein Mord in dem beschaulichen Dörfchen Louviec, nicht weit von Combourg entfernt. Ein Wildhüter wurde brutal erstochen, und als Hauptverdächtiger gilt ein Wiedergänger von François-René de Chateaubriand. Dieser ist nicht nur Nachkomme des berühmten Dichters, er sieht auch genauso aus wie sein berühmter Vorfahre.

Adamsberg beginnt auf Bitten seiner Pariser Vorgesetzten und des lokalen Kommissars Matthieu mit seinen Ermittlungen. Hängt der Mord mit der Sage des Geistes von Combourg zusammen? Bei diesem soll es sich um ein Gespenst handeln, das einst auf dem Schloss Combourg sein Unwesen trieb und dessen klopfendes Holzbein die Bewohner:innen in den Gassen von Louviec gehört haben wollen. Oder will sich jemand am jüngsten Chateaubriand-Spross rächen, da alle Spuren des Mordes auf ihn als Täter hinweisen?

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Bei seinen Ermittlungen stößt Kommissar Adamsberg auf jede Menge verbrecherisches Potenzial in der beschaulichen Bretagne. Der Mord an dem Wildhüter war nämlich nur der Auftakt zu einer ganzen Mordserie, die Louviec in Atem hält – und mittendrin der „Wolkenschaufler‟ Adamsberg, wie der Kommissar aufgrund seiner assoziationsreichen Arbeitsweise von seinen Kollegen genannt wird.

Grandios gelingt es der gefeierten französischen Krimiautorin Fred Vargas, eine Atmosphäre zwischen Spannung und Schrulligkeit mit vielen kulinarischen Genüssen zu kreieren. Das von ihr ersonnene Dörfchen Louviec entpuppt sich als Hort sowohl schwerer Kriminalität als auch des Aberglaubens.

Adamsberg dachte nach, indem er sich seinen langsamen Schritten hingab und Gedanken (…) im Rhythmus seines schaukelnden Ganges vorüberziehen, sich kreuzen, aufeinanderprallen, sich ansammeln und wieder zerstreuen, kurzum, sie nach Belieben schalten und walten ließ.

Aus: Jenseits des Grabes

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Im Dorf stehen sich die Fraktion der Schattenschmutzer und die der Schattenschützer gegenüber. Letztere fürchten Unglück, sollte jemand auf den eigenen Schatten treten. Die Sage des Geistes von Combourg beschäftigt die Menschen in der Bretagne – nur der intuitionsstarke Adamsberg lässt sich von alldem nicht verunsichern. Allabendlich kommt er mit seinem charakterstarken Team im Dorfgasthof zusammen, wo bei Artischockencreme, Lachspastete und jeder Menge Chouchen, einer Art bretonischen Mets, neue Erkenntnisse ausgetauscht werden.

Dass Jenseits des Grabes in Frankreich wie auch in Deutschland die Spitzenposition der Bestsellercharts erklomm, verwundert nicht. Fred Vargas, die für ihre beliebten Krimis um Kommissar Adamsberg nationale wie internationale Krimipreise verliehen bekam, stellt einmal mehr ihren Sinn für außergewöhnliche Spannungsromane unter Beweis. Ihr gelingt ein mitreißender Krimi, der Aberglauben, internationales Verbrechen, nationale Kulturgeschichte, sinnesfreudiges Savoir-vivre und bretonisches Lokalkolorit miteinander kombiniert. Darauf ein Glas Chouchen!

 

Marius Müller wäre nach dieser Lektüre einem Gläschen Chouchen nicht abgeneigt – ebenso wie weiteren Abenteuern mit Kommissar Adamsberg, etwa dem bei der Büchergilde erschienenen Krimi Der Zorn der Einsiedlerin. Auf seinem Blog Buch-Haltung.com schreibt Müller über seine Lektüren.

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Die Autorin

Fred Vargas, geboren 1957 in Paris, ist ausgebildete Archäologin und hat Geschichte studiert. Sie ist heute die bedeutendste französische Kriminalautorin mit internationalem Renommee. 2012 erhielt sie den Europäischen Krimipreis für ihr Gesamtwerk und 2016 den Deutschen Krimipreis in der Kategorie International für Das barmherzige Fallbeil.


Die Übersetzerin

Claudia Marquardt studierte Romanistik, Germanistik und Kunstgeschichte in Berlin und Lyon. Sie arbeitete lange als Verlagslektorin, ehe sie sich als Übersetzerin selbstständig machte. Sie übertrug u. a. Werke von Laetitia Colombani, Frédéric Beigbeder und Dai Sijie ins Deutsche.


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