In der Mitte Europas


Die Europäische Union macht einen enormen Wandel durch, intern wegen der vielen Mitglieder, die in eine Art Machtprobe mit ihr gehen, und extern wegen multipler Bedrohungen. Herfried Münkler analysiert in Macht im Umbruch, wie es so weit kommen konnte, dass ein Bruch droht, was dagegen unternommen werden muss und welche tragende Rolle Deutschland dabei zukommt.

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Über Jahrzehnte hinweg hat die Europäische Union verschlafen, das zu werden, was ihr Name verheißt: eine wahre Gemeinschaft europäischer Länder. Gewiss, inzwischen gehören diesem Staatenverbund stolze 27 Länder an. Doch die Diskrepanzen werden immer sichtbarer. Jede Nation schaut zunächst auf kurzfristige Eigeninteressen, statt auf langfristige europäische Strategien zu setzen. Gerade Ungarn inszeniert sich gerne als Antagonist, der versucht, die EU von innen zu zerstören. Gleichzeitig fällt die USA langsam, aber sicher als externe Schutzmacht weg, während durch Chinas Wirtschaft und Russlands Bedrohung neue Herausforderungen auf die EU zukommen. All diese Fliehkräfte, so wirkt es, treffen die EU unvorbereitet.

Demgemäß liegt die entscheidende Verteidigungslinie der Demokratie in der Herausbildung und Schärfung der politischen Urteilskraft ihrer Bürger.

Aus: Macht im Umbruch

Der renommierte Politikwissenschaftler Herfried Münkler geht in seinem Werk Macht im Umbruch primär zwei Fragen nach: Wie konnte es überhaupt so weit kommen, dass die EU dermaßen arglos, planlos, sorglos in die Multikrisen unserer Gegenwart geschlittert ist? Was kann unternommen werden, um den drohenden Zerfall der Union aufzuhalten, um zukünftig als globaler Player relevant zu bleiben? Und, das spielt im Subtext auch eine Rolle, warum ist das Fortbestehen der Europäischen Union überhaupt so wichtig?

Deutschland, so Münkler, müsse endlich seine tragende Rolle wahrnehmen. Historisch gesehen war es natürlich nicht gewollt, dass Deutschland überhaupt als zentrale Macht in Erscheinung treten sollte. Sowohl innerhalb des Landes wusste man, dass nach zwei verheerenden Weltkriegen Bescheidenheit und Zurückhaltung geboten waren, und war zudem mehr mit sich selbst beschäftigt, mit dem sogenannten Wirtschaftswunder der 1950er, der Wiedervereinigung. Deswegen überließ man lieber Frankreich und Großbritannien die Führung. Doch spätestens seit Ende des Kalten Krieges ist Deutschland geografisch in die Mitte Europas gerückt und heute mit Abstand das wirtschaftsstärkste Land. Um ein Zerreißen der EU zu verhindern, benötige es ein Land oder einen kleinen Verbund an Ländern, das bzw. die eine Führungsrolle übernähmen, hält Münkler fest.

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In seinem ebenso ambitionierten wie lehrreichen Buch legt er genauestens dar, welche Umstände zu der Situation geführt haben, in der sich die Europäische Union heute befindet, warum sie also eine Macht im Umbruch ist. Er wagt dafür einen sehr weit zurückgehenden historischen Blick bis ins Mittelalter, analysiert vor allem die Verhältnisse in Europa und der Welt seit dem Mauerfall sehr genau und erläutert plausibel, warum die Europäische Union dringend gerettet werden muss – und gibt sehr gute und nachvollziehbare Vorschläge und Anleitungen, wie dies geschehen soll. Rational, unparteiisch und weitsichtig führt er aus, warum es Deutschland zufällt, eine tragende Rolle innerhalb der EU zu übernehmen.

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Macht im Umbruch ist ein sehr dichtes und äußerst erhellendes Werk, das auch für Laien alle wichtigen Fragen zu europäischer Macht- und Geopolitik verständlich erläutert. Und es ist ein Buch, von dem man sich wünschte, sämtliche Politiker:innen im Bundestag und im Europaparlament würden es lesen. „EU-skeptische‟ Menschen erst recht. Und alle anderen auch. Münkler gelingt das große Kunststück, ein sowohl absolut aktuelles als auch zeitloses Buch vorzulegen, eine wichtige Analyse, deren Inhalt alle Europäer:innen noch auf die kommenden Jahre, wahrscheinlich Jahrzehnte beschäftigen wird.

 

Isabella Caldart hat so viele wichtige Sätze in Macht im Umbruch unterstrichen, dass ihr Exemplar nahezu unleserlich ist.

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Der Autor

Herfried Münkler, geboren 1951 in Friedberg, ist emeritierter Professor für Politikwissenschaft an der Berliner Humboldt-Universität und eine unverzichtbare, prägende Stimme in den Debatten unserer Gegenwart. Er wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Wissenschaftspreis der Aby-Warburg-Stiftung, dem Preis der Leipziger Buchmesse und dem Bruno-Kreisky-Preis für das politische Buch.


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