Die Nase gestrichen voll haben


Über Frust, Vorurteile und Lösungsansätze

In seinem Essay Was soll an meiner Nase bitte jüdisch sein? fordert Autor Thomas Meyer unmittelbar und direkt zum Dialog über alltäglichen Antisemitismus auf. Dieser radikal subjektiver Beitrag zur Antisemitismus-Debatte erscheint als 5. Band der Reihe Edition Zeitkritik.

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Herr Meyer, Ihr Buch eröffnen Sie mit einem konfrontativen Selbstcheck für die LeserInnen: In zwölf Fragen klopfen Sie stereotype Denkweisen über JüdInnen ab und entlarven so die Absurdität solcher Klischees. Das sitzt. Wann haben Sie sich gesagt: „Mir reicht’s!“?

Mir reichte es schon vor dreißig Jahren. Antisemitismus ist nicht nur verletzend, sondern auch einfach sehr ärgerlich. Aber erst jetzt habe ich eine Form der Gegenwehr gefunden, die eben nicht verärgert ist, sondern ein versöhnliches Angebot macht.

 

Sie erzählen von Antisemitismus auch als Mehrgenerationenprojekt, quasi als erlerntes und in Familien weitergegebenes Ressentiment, das nicht infrage gestellt oder gar nicht als antisemitisch verstanden wird. Wie kommt es zu dieser verengten Vorstellung, dass nur antisemitisch sein kann, was antisemitisch gemeint ist?

Das ist keine verengte Vorstellung, sondern schlichte Arroganz, wie sie auch der Frauenfeind pflegt. Gerade Sexisten sehen sich ja sehr gern als große Frauenliebhaber.

 

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Wie gelingt es dem Einzelnen, die eigenen, möglicherweise auch rassistisch geprägten Vorurteile immer wieder kritisch zu reflektieren, statt sie reflexartig von sich zu weisen?

Genau so. Indem man nicht sein Ego rettet und allem widerspricht, was das noble Selbstbild angreift, sondern zuhört, wenn einen jemand kritisiert. Die Person könnte nämlich recht haben.

 

Aus Ihrem Buch geht hervor, dass die Medien in der Schweiz selten antisemitische Übergriffe zu vermelden hätten, die polizeilich erfassbar seien. Ist der Antisemitismus in der Schweiz subtiler, oder mangelt es der Strafverfolgung an Kategorien?

Wir haben hier generell weniger Probleme mit physischer Gewalt. Das verleitet viele zur Idee, wir hätten hier keinen Antisemitismus. Er wird als etwas sichtbar Brutales wahrgenommen, wie man es aus Deutschland und Frankreich kennt. In der Folge empfinden sich viele Schweizerinnen und Schweizer als völlig frei von und immun gegen Antisemitismus. Was leider überhaupt nicht der Fall ist. Die Klischees sind genau die gleichen, die dem gewalttätigen Antisemitismus zugrundeliegen: der geizige Jude, der allmächtige Jude, der hinterlistige Jude.

 

Antisemitische Überzeugungen lassen sich in den letzten Jahren mehr und mehr in der Mitte der Gesellschaft identifizieren. Was macht das mit Ihrem persönlichen Sicherheitsgefühl?

Nichts. Ich habe diese Überzeugungen nie woanders verortet. Ich kenne sie nur von da.

 

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Meyer!

 

Die Fragen stellte Sophie Weigand.


Der Autor

Thomas Meyer

Thomas Meyer, geboren 1974 in Zürich, arbeitete nach einem abgebrochenen Jura-Studium in Werbeagenturen und als Reporter. 2007 machte er sich als Autor und Texter selbstständig. Bekannt sind vor allem seine beiden Wolkenbruch-Romane, die in illustrierter Variante in der Büchergilde erschienen. Thomas Meyer lebt in


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